Ottmar
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Tribüneneinsturtz am 16.09.1937 in Lommersum |
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Ein unbeschreiblicher Tumult
Der Aufmarsch der 26. Division in Lommersum endete mit unzähligen Verletzten und hatte ein gerichtliches Nachspiel.
Weilerswist-Lommersum - Nach einem Bericht des „Euskirchener Volksblattes“ waren Hunderttausende Besucher zum Paradefeld bei Lommersum gekommen. Im September 1884 jubelten sie dort Kaiser Wilhelm I. zu, der das 8. Armeekorps mit Glanz und Gloria aufmarschieren ließ. Zuvor hatte es bereits drei Kaiserparaden in Lommersum gegeben - immer wurden wahre Volksmassen mobilisiert.
An diese Tradition wollten auch die Nationalsozialisten anknüpfen: Am 16. September 1937, vor 70 Jahren, veranstaltete die 26. Division zum Abschluss des Herbstmanövers eine Feldparade. Ort des Geschehens war ein Feld unweit des Gertrudenhofes zwischen Lommersum und Niederberg. Unter Leitung des kommandierenden Generals Hans Günther von Kluge defilierten dort 10 000 Soldaten. Aber die Heerschau führte zu einem Desaster. Kurz nach Beginn der Parade stürzte eine von zwei Zuschauertribünen ein, auf der sich rund 10 000 Menschen befanden.
Aufwändige Vorbereitung
Die Geschichte der Parade und des Tribüneneinsturzes hat Christa Gutzmann-Schomäcker bereits 1997 detailreich für die „Weilerswister Heimatblätter“ aufgearbeitet, die vom Geschichts- und Heimatverein herausgegeben werden. Sie beschreibt auch die aufwändigen Vorbereitungen: So mussten die Bauern ihre Felder bis zum 10. August abernten. Es gab zahlreiche Anfragen für Ausschankgenehmigungen, das Militär untersagte aber den Verkauf alkoholischer Getränke.
Die Metzgereien erhielten größere Schweinefleisch-Zuteilungen, da sich viele Zuschauer und Soldaten in Lommersum und den umliegenden Ortschaften einquartierten. Schließlich entstanden im Feld zwei hölzerne Tribünen, jede von ihnen für 10 000 Zuschauer. Entsprechend ließ man 20 000 Tribünenkarten drucken. Am Rande des Paradefeldes waren außerdem 20 000 Stehplätze vorgesehen.
Am Tag der Parade herrschte emsiges Treiben in Lommersum. Die Kinder hatten schulfrei. 10 000 Soldaten, darunter Infanterie, Kavallerie, Artillerie und ein Pionier-Bataillon, zogen durch den Ort zum Paradefeld. Die Zuschauer kamen teils zu Fuß, teils mit Sonderbussen, teils auch mit eigenen Fahrzeugen. Bis 11.30 Uhr mussten sie ihre Plätze eingenommen haben, dann erschien General von Kluge, um die Parade abzunehmen.
Was danach geschah, beschreibt das „Lommersumer Heimatbuch“ aus dem Jahr 1959 in blumigen Worten. „Plötzlich ein vielstimmiger Schrei“, heißt es dort: Beim Vorbeimarsch der ersten Truppenteile brach die Tribüne zusammen und die „berstende Holzkonstruktion begrub alle, die sich ihr anvertraut hatten“. Die Menschen stürzten oder wurden eingeklemmt. Es kam zu einem „unbeschreiblichen Tumult“, auch die zweite Tribüne wurde überstürzt geräumt.
800 Tribünengäste erlitten zum Teil schwere Verletzungen, viele mussten mit Militärfahrzeugen und Sanitätszügen in Krankenhäuser gebracht werden. Der Einsturz forderte auch ein Todesopfer: Wie Christa Gutzmann-Schomäcker ausführt, erlag der 61-jährige Studienrat Johann Heinrich aus Euskirchen einen Tag später im Krankenhaus seinen Verletzungen.
Es wurde weitermarschiert
Beendet wurde die Nazi-Parade nach dem Vorfall nicht: Der Vorbeimarsch wurde nach einer kurzen Unterbrechung fortgesetzt. Es folgte aber ein jahrelanger Rechtsstreit, der Zivilprozess zog sich bis 1942 hin. Nach zahlreichen Berufungsverfahren bestätigte schließlich der Dritte Zivilsenat des Reichsgerichts, dass die Deutsche Arbeitsfront für die Schäden aus dem Unglück zu haften habe. Die NS-Gemeinschaft „Kraft durch Freude“, die zur Deutschen Arbeitsfront gehörte, hatte die Tribünen im Lommersumer Feld errichten lassen. In den Quellen ist von Entschädigungszahlungen in Höhe von 600 000 Reichsmark die Rede.
Verurteilt wurde auch der Bauunternehmer aus Köln-Mülheim, der mit dem Bau der Tribünen beauftragt worden war. Er wurde noch auf dem Paradefeld verhaftet. Wegen fahrlässiger Tötung in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung verurteilte ihn das Gericht zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren.
Die Ermittler sprachen danach von einer „oberflächlichen und laienhaften“ Konstruktion. Es fehlten Quer- und Längsverstrebungen. Es mangelte an Facharbeitern - und an Zeit für den Aufbau. Denn wie sich herausstellte, hatte der Bauunternehmer in Lommersum eine Tribüne errichtet, die noch fünf Tage zuvor bei einer Parade in Köln-Wahn stand. Dies war ihm im Vorfeld ausdrücklich untersagt worden.
Quelle: Kölner Stadtanzeiger vom 14.09.2007
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