Ottmar
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Weilerswist - Es war wohl einer der schwärzesten Tage in der Geschichte Weilerswists: Am 7. Februar 1757, vor 250 Jahren, brannte durch eine Feuersbrunst beinahe der gesamte Ort nieder. Die Katastrophe nahm ungeahnte Ausmaße an: 98 Häuser wurden in Schutt und Asche gelegt, mehr als 500 Menschen waren auf einen Schlag obdachlos. Wie durch ein Wunder gab es jedoch keine Todesopfer.
Der renommierte Historiker Dr. Franz Schorn (1929-1991) widmete dem verheerenden Brand einen Zeitungsartikel, der vor 50 Jahren erschien. Wie der Heimatforscher damals schrieb, brach das Feuer an einem kalten Wintermorgen während des Siebenjähriges Krieges aus. Die Flammen griffen von einem Haus, der „Keimzelle“ des Brandes, in Windeseile auf die umliegenden Gebäude über. In kürzester Zeit wurde beinahe die gesamte Ortschaft zerstört.
RÜCKBLENDE
Vor 250 Jahren
Der Brand, so Schorn, soll sich an einem Sonntag ereignet haben. Dies würde erklären, warum die Ausdehnung des Feuers so groß war: Da die meisten Dorfbewohner im Gottesdienst waren, bemerkte man die Flammen viel zu spät. Betroffen war der damalige Ortskern. Er befand sich in dem Bereich, wo heute Bachstraße, Donaustraße und Mauritiusgasse verlaufen. Von den Flammen verschont blieben allein der Bachhof an der Gabelung Bachstraße / Donaustraße, das benachbarte Haus Tappert und einige weitere kleinere Gebäude, etwa das Haus Kirchartz in der Enggasse.
Der Bachhof existiert heute nicht mehr. Wie es im kürzlich erschienen Bildband „Weilerswist und seine Ortsteile - einst und jetzt“ heißt, war Haus Kirchartz lange Jahre das älteste Gebäude in Weilerswist. 1960 wurde es abgebaut. Es ist im Depot des Rheinischen Freilichtmuseums in Kommern eingelagert.
Von der kurfürstlichen Obrigkeit erhielt die Bevölkerung nach dem Großbrand zunächst keine Hilfe. Während des Krieges, so Franz Schorn, dienten die öffentlichen Gelder weitgehend dazu, entweder die eigenen Truppen oder die Besatzungsmächte zu unterhalten. Im Siebenjährigen Krieg (1756-1763) standen sich Preußen und Großbritannien auf der einen Seite und Österreich, Frankreich und Russland auf der anderen Seite gegenüber.
Während Frankreich und Großbritannien um die Vorherrschaft in Amerika und Indien kämpften, ging es für Preußen und Österreich um die Eroberung Schlesiens. Russland schließlich war an einer Expansion in Richtung Westen interessiert. Die Weilerswister schauten jedenfalls in die Röhre, was finanzielle Unterstützung anbelangte. Versicherungen, die für die immensen Schäden aufgekommen wären, gab es auch nicht. Stattdessen setzte eine Welle der Nachbarschaftshilfe ein: Die 500 Menschen, die plötzlich kein Dach mehr über dem Kopf hatten, kamen in den vom Feuer verschonten Gebäuden und in außerhalb liegenden Gutshöfen unter. Not und Elend blieben dennoch groß. „Weilerswist hat sich nie mehr völlig von diesem Schlag erholt“, schrieb Schorn vor 50 Jahren. Die „kleinen Leute“ waren wirtschaftlich völlig ruiniert. Von der Säkularisation, der Verstaatlichung und Privatisierung kirchlichen Besitzes, profitierten laut Schorn nur wenige Landwirte; breite Bevölkerungsschichten blieben verarmt.
„Noch um 1825 wird Weilerswist als alles andere als wohlhabend bezeichnet“, schreibt Schorn. Bis 1854, etwa 100 Jahre nach dem Brand, hatte sich die Bevölkerung fast verdoppelt: Weilerswist verzeichnete in jenem Jahr 1116 Einwohner. Hinzu kamen viele Auswärtige, die im Ort Beschäftigung suchten. Tätig waren sie etwa in einer Wollspinnerei, die sich in Weilerswist niedergelassen hatte, oder im nahen Braunkohleabbau.
„Die schon bestehenden sozialen Gegensätze, die infolge des Fehlens einer breiten Mittelschicht ohnehin schon stark ausgeprägt waren, wurden durch diese neue Entwicklung noch verschärft“, so Schorn. Deswegen habe der marxistische Sozialismus in Weilerswist auch einen „guten Nährboden“ gefunden.
Eine Erklärung liefert der Brand auch für das heutige Erscheinungsbild der Ortschaft Weilerswist: Der alte Dorfkern mitsamt seiner historischen Bausubstanz wurde durch die Flammen komplett zerstört, das neue Zentrum entstand entlang der Köln-Trierer Landstraße, die in den Jahren 1824 bis 1826 gebaut wurde. Dort entwickelte sich der Ort so gut wie ungestört weiter; im Zweiten Weltkrieg etwa blieben massive Zerstörungen, wie sie zum Beispiel in Euskirchen oder Zülpich zu verzeichnen waren, weitgehend aus. „Weilerswist bietet heute ein Bild, das weder dem eines Dorfes noch dem einer Kleinstadt entspricht“, so Schorn im Jahre 1957.
Der Historiker schließt mit dem Satz: „Die Zukunft wird darüber entscheiden, welches Gesicht Weilerswist annehmen wird.“ Auf die weitere Entwicklung darf man heute mehr denn je gespannt sein. Denn der Ort befindet sich seit einigen Jahren massiv im Umbruch. Zum einen durch die Umgehungsstraße, die kurz vor der Einweihung steht und massive Veränderungen für den Kernort mit sich bringen wird. Zum anderen durch das Neubaugebiet Weilerswist-Süd, das Platz für 2500 Neubürger bietet und die Lücke zwischen Weilerswist und Vernich schließen wird. Und nicht zuletzt auch durch die geplante Erweiterung des Gewerbegebiets, die neue wirtschaftliche Chancen für den Ort mit sich bringt.
Quelle: Kölner Stadtanzeiger vom 07.02.2007
http://www.ksta.de/html/artikel/1170147206368.shtml
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